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Vita Marie-Thérèse Escribano (Langfassung)
Ich wurde in Paris geboren (Mutter Belgierin, Vater Spanier) und bin in Madrid aufgewachsen.
Dort studierte ich Musik am "Real Conservatorio".
Nach dem frühen Tod meiner Eltern ging ich nach Belgien, wo ich das Brüsseler
Conservatoire absolvierte.
Ich hatte dort das Glück, das damalige Ensemble der Wiener Oper zu sehen und zu hören:
keine geringeren als Maria Reining, Sena Jurinac, Elisabeth Schwarzkopf,
Irmgard Seefried, Paul Schöfler, Anton Dermota, Erich Kunz und andere Sänger
gleichen Formats. Ich war begeistert und entschloß mich nach Wien zu
kommen, in die Stadt, wo diese Perfektion, dieser Charme entstanden waren.
Nach der entsprechenden Aufnahmeprüfung wurde ich 1955 in die Akademie für
Musik und darstellende Kunst (heute Universität) aufgenommen.
Ich hatte es nicht ganz leicht, musste "jobben" neben dem Studium.
Ich hatte nicht einmal Geld, um mein Zimmer jeden Tag einzuheizen, aber das Studium war sehr erfüllend;
ausserdem bekam ich viel Hilfe von allen Professoren und hier und da ein
kleines Stipendium von der Akademie. Ausserdem wurden sowohl an inländische
wie an ausländische Studenten Essensbons verteilt.
Diese Hilfe war nicht demütigend, wir verstanden sie als Ehre und Zeichen der Schätzung.
Ursprünglich strebte ich eine Opernkarriere an (Opernschule mit Prof.
Witt) und ich absolvierte auch mit Professor Erich Werba die Fächer
Lied & Oratorio, doch ziemlich bald zeigte sich, dass ich zur
zeitgenössischen Musik eine starke "Affinität" hatte; so luden mich Friedrich Cerha und
Kurt Schwertsik ein, um mit ihrem neu gegründeten Ensemble "die Reihe" die improvisations sur mallarmée von Pierre Boulez im Schubertsaal (Konzerthaus) zu singen. Das Début fand im Jahr 1959 statt und
stellt irgendwie einen historischen Moment dar, denn solche Werke dem
konservativen Wiener Publikum zu präsentieren, war Pionierarbeit!
Die Bekanntschaft mit Friedrich Cerha stellt eine Bereicherung in meinem künstlerischen Leben dar; er hat mir das
richtige Sprechgesangskonzept von "Pierrot Lunaire" vermittelt, ein Werk das ich
sowohl mit ihm in Wien als auch oft im Ausland interpretiert habe und im Jahr 1975
dann an der Wiener Staatsoper in einer Choreographie von Nurejew.
Ich habe auch unter den Dirigenten Lorin Maazel, Paul Sacher, Mauricio Kagel,
Pierre Boulez u.v.a. Konzerte in In- und Ausland (Europa, USA) mit Werken der Avantgarde gesungen und Liederabende gegeben, wobei ich die Komponisten der Wiener Schule (Webern, Berg, Schoenberg), aber auch
Impressionistische Musik bevorzugt habe.
Möglicherweise werden viele das nicht verstehen, Tatsache ist aber,
dass ich erst durch die Beschäftigung mit der Musik der Wiener Schule
das Gefühl entwickeln konnte, was es heißt, in Wien zu musizieren. Ich
habe mich in meinen Gastspielen im Ausland öfters nach diesen feinsten
Zwischentönen gesehnt, die im Übrigen das Wiener Publikum so schätzt.
Und die Vertiefung mit diesen Liedern haben mir wiederum den Weg zu den
Werken von Schubert verschafft.
Sie staunen? Nein: Alles pur Wien.
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Eines Tages zeigten mir Klaus u. Michel Walter Rekonstruktionen von
mittelalterlichen Instrumenten, die sie selbst gefertigt hatten. Das
Produkt von langer Beschäftigung mit alter Musik. Die Fiedeln, Rebecs,
Schalmaien, Hörner etc. klangen ungewöhnlich, zauberhaft. Ich war fasziniert.
Und so gründete ich 1965 mit ihnen das Ensemble für alte Musik
"les menestrels"
, in dessen Rahmen ich bis ca. 1975 sang.
Mitte der 70-er Jahre begann die Kulturkruste Wiens zu zerspringen. Die
Avantgardemusik hatte etwas bewirkt. Während das
Living Theater von N. Y.
im Theater an der Wien unter den Buh-Rufen der braven Bürger spielte, fanden
auch experimentelle Theaterworkshops statt, an denen ich im Dramatischen
Zentrum teilnahm – mit Persönlichkeiten wie
La Mama
oder
Grotowsky.
Die Frauenbewegung machte auch von sich sprechen, zusammen mit anderen
Frauen spielte ich Frauentheater.
***
Wie viele wissen, besteht der Mensch – wie eine Zwiebel – aus
verschiedenen Schichten, auf Grund seiner Erziehung nimmt er meistens
jedoch nur seine Oberfläche wahr. Das ist bequem aber es geht viel verloren.
Es ist ein großes Glück, wenn die inneren Schichten des Zwiebels so
laut schreien, dass sie hörbar werden. Mich packte eine
leidenschaftliche Sehnsucht, Theater zu machen, eigene Stücke zu
schreiben und zu spielen. Veränderung war wieder einmal angesagt!
Ich verließ die Gruppe
"les menestrels"
Meine neue "Karriere" begann, voll Schwächen aber schließlich
von der Lust geführt. Ich folgte einem autodidaktischen Weg, entwickelte (m)einen eigenen Stil, dessen
Bezeichnung noch nicht erfunden ist: es ist kein Kabarett und auch kein
Konzert, obwohl kabarettistische und musikalische Elemente enthalten
sind. (ich bin dem Museumsdirektor WOLFGANG KOS dankbar für seine Beurteilung
"mit ihr kommen die Schubladen ins Wanken"!)
Es war spannend im Unterschied von den reinen Konzerten, jetzt mit dem Publikum
per du
zu sein!
Mein Debut in der neuen Branche fand in der "Kulisse" statt, damals ein idealistisches, experimentierfreudiges Zentrum, das vielen Künstlerinnen und Künstlern, die einen neuen Anfang suchten, eine Chance bot.
Die Inspiration meiner Programme kommt aus dem Bauch und auch aus dem
Herzen. Es sind meistens Dinge, die mich persönlich angehen wie Frau-sein, Alt-sein,
Ausländer-sein...
Oder überhaupt die Arroganz der "Großen" in Politik und Kirche.
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75 bis heute |
So entstanden die vielen Programme, deren Titel Sie unter Programme lesen können.
Natürlich habe ich nebenbei auch immer wieder reine Musikprogramme gesungen, z.B. Sefardische
Musik mit Aron Saltiel und Wolfram Märzendorfer (Alondra) und
mit Eleonore Petzel und Judith Keller (Gruppe Limon)
sowohl Sefardisches als auch Lieder von Victor Jara und Violeta Parra. Zuletzt mit der Gitarristin Judith Pahola Lieder
von Federico García Lorca.
Meine Programme begleitet hauptsächlich und zwar
seit Jahren, der Grazer Pianist Herberth Url.
ich leb, weiss nit wie lang
ich sterb und weiss nit wann
ich fahr ,weiss nit wohin
wunder nimmts mich
dass ich fröhlich bin
walter von der vogelweide zugeschrieben bzw Angelus Siletius und auch Martinus von Biberach
UNTERRICHT
Gesangslehrer habe ich viele gehabt, sie haben es immer gut mit mir gemeint aber die
große Tür haben mir Professor Lajos Szamosi und seine Tochter
Hedda geöffnet. Dank ihnen kann ich bis heute singen und hatte auch
eine Basis bekommen, die ich später als Lehrerin weiter entwickeln konnte.
Die Bezeichnung "StimmBEFREIUNG" stammt im übrigen von mir. Sie wird von vielen übernommen,
um sich von StimmBILDUNG zu distanzieren, einem Begriff, der ein wenig an Dressur erinnern könnte.
(siehe UNTERRICHT) |